Nachdem er so lange gefürchtet wurde, ist er nun da: Der Lockdown in Deutschland. Am 16.12.2020 mussten alle Einrichtungen, bis auf Geschäfte des täglichen Bedarfs und einige wenige Ausnahmen, wieder Dicht machen.
Auch das Erotik-Gewerbe muss erneut geschlossen bleiben. Wenig überraschend, wenn man in die nahe Vergangenheit blickt, denn Bordelle und sonstige Arbeitsplätze für Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleister waren unter den ersten Betroffenen des Lockdowns im Frühjahr und unter den letzten, die wieder öffnen durften – wenn sie nicht seitdem dauerhaft geschlossen bleiben mussten wie beispielsweise in Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern.
Existenzen sind bedroht
Die Corona-Pandemie trifft die Sexarbeit besonders hart. Viele der Frauen und Männer, die vorher in Laufhäusern oder Bordellen arbeiteten und oft auch dort wohnten, stehen jetzt auf der Straße. Sie kommen meist aus anderen Teilen Europas und haben dort auch ihren festen Wohnsitz – in Ländern, in denen Prostitution illegal ist und in die sie nicht einfach zurückgehen können, weil sie hier Geld verdienen müssen. Für sich selbst, aber auch um ihre Familien in der Heimat zu versorgen.
Die meisten von ihnen sind nicht im Gewerbe gemeldet und erhalten deshalb auch keine finanziellen Überbrückungshilfen. Zwar gibt es nach dem Prostituiertenschutzgesetz eine Meldepflicht, doch schätzungsweise ist die tatsächliche Zahl der Prostituierten bundesweit mehr als zehnmal so hoch wie die offizielle Zahl (33.000 Stand 2018). Sie haben jetzt also mehr oder weniger keine andere Wahl, als irgendwie weiterzumachen.
Folgen für das Milieu
Sexarbeit in Deutschland droht wieder in informelle Strukturen abgedrängt zu werden, in denen geringe Sicherheit, wenig bis gar kein Gesundheitsschutz und schlechte Arbeitsstandards herrschen. Jegliche Kontrolle über den Sektor würde verloren gehen und wieder in die Illegalität abrutschen. Daher sollte die Verhältnismäßigkeit eines pauschalen Prostitutionsverbots dahingehend nach der Meinung einiger Branchen-Profis, Anwälten und Gerichten dringend überprüft werden. Denn dass weitergearbeitet wird, ist Fakt. Ob Lockdown oder nicht.
Unterstützung ist gefragt
Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen bittet nun um Spenden und staatliche Hilfe für Sexarbeitende, denn der in der Corona-Zeit eingerichtete Nothilfe-Fonds in Höhe von 150.000 Euro sei bereits ausgeschöpft.
Pünktlich zum Lockdown hat zudem Dona Carmen, der Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten, eine Pressemitteilung zum Thema Sexarbeit & Corona veröffentlicht: Sie haben der Stadt Frankfurt einen 6-Punkte-Plan vorgelegt und bieten Unterstützung von Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleister in der Krise an.
Die Frankfurter Römerkoalition aus CDU, SPD und Grünen hat sich bereits für staatliche Transferleistungen für die Betroffenen ausgesprochen. Nur müsse dann garantiert sein, dass das Geld auch wirklich bei den Prostituierten und nicht etwa bei deren Zuhältern ankomme, wie Christoph Schmitt von der CDU zu bedenken gibt.
Schließlich bleibt also die große Frage, wann und wie die dringend benötigte Hilfe bei denen ankommt, die durch die Prostitutionsbeschränkungen kurz vor dem Ende ihrer Existenz stehen.